Betreuungs- und Pflegeleitbild

Menschenbild
Unser Menschenbild beruht auf folgenden Grundgedanken: Jeder Mensch ist einzigartig. Er ist eine Einheit aus Körper, Seele und Geist. Seine Persönlichkeit, sein Charakter ist geprägt durch seine Lebensgeschichte. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Er besitzt die Möglichkeit sich mit andern Menschen zu verständigen und sich auseinanderzusetzen. Jeder Mensch hat Grundbedürfnisse wie physiologische Bedürfnisse (Ernährung, Bewegung, Schlaf etc.), Sicherheit, Zugehörigkeit und Liebe, Wertschätzung (Selbst- und Fremdschätzung), Selbstaktualisierung (Selbstverwirklichung und -entfaltung). Jeder Mensch hat Stärken und Schwächen. Er ist entwicklungs- und lernfähig; er entscheidet nach seinen Möglichkeiten bis zu seinem Tod.

Gesundheit / Krankheit
Gesundheit bedeutet ein Ausgeglichensein zwischen seelischen, geistigen und körperlichen Kräften, dies bedeutet aber auch, die Fähigkeit zu haben, mit vorgegebenen Möglichkeiten und Grenzen (z.B. Invalidität) umzugehen und eine individuell mögliche Ganzheit zu erreichen. Krankheit bedeutet, dass die seelischen, geistigen und körperlichen Kräfte aus dem Gleich-Gewicht gekommen sind. Die Ursachen können abhängig sein von Alter, Erbgut, Umwelt, Lebenseinstellung und Lebensbedingungen.

Ziele in Pflege, Betreuung und Therapie
Selbständigkeit und Wohlbefinden der Bewohnerinnen und Bewohner erhalten und fördern. Unterstützung in den Aktivitäten des täglichen Lebens anbieten, ohne den Menschen verändern zu wollen. Beziehungen zu Angehörigen, Bekannten und zu Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern fördern und vertiefen mittels des Bezugspersonensystems. Partnerschaftliche Zusammenarbeit mit ÄrztInnen, Physiotherapie und allen Bereichen im Hause selbst. Die Pflege der Bewohnerinnen und Bewohner wird individuell angepasst, Krankheiten werden fachgerecht behandelt, Leiden und Gebrechen gelindert, ärztliche Verordnungen zuverlässig ausgeführt. In Krisensituationen, vermitteln von Vertrauenspersonen. Ein menschenwürdiges Sterben ermöglichen. Die Bewohnerin/der Bewohner ist unser Mitmensch, mit seinem Charakter und seiner Lebensbiographie. Daheim ist der Mensch dort, wo er sich wohl fühlt und auskennt, wie in einer großen Familie diese Atmosphäre miteinander zu gestalten und zu pflegen, erachten wir als unsere Aufgabe.

Konkrete Beispiele für eine Normalisierung des Heimalltags

Besuchsdienstzeiten: Besuche sind jederzeit möglich, auch abends oder in der Nacht. Wie im normalen Lebensalltag steht der Besuch da, wenn er halt da steht. Dies kann sonntags genauso sein, wie spät abends.

Nachtruhe: Viele Alters- und Pflegeheime kennen sog. Nachtruhezeiten. Bewohnerinnen und Bewohner, die sich an spätes Zubettgehen gewohnt sind, sollten nicht schon um 17.00 Uhr zu Bett gebracht werden, weil sie sich an die Bedingungen des Heimes zu richten haben. Die Bewohnerin/der Bewohner ist in seinem eigenen Tages- und Nachtrhythmus zu belassen.

Haustiere: Viele Menschen halten sich ein Haustier. Bei einer Übersiedelung in ein Alters- und Pflegeheim darf es keine Frage sein, was mit dem Tier geschieht.

Spaziergänge: Normalgesellschaftlich bewegt man sich praktisch alle Tage außerhalb des Hauses oder der Wohnung. Auch verwirrte, desorientierte und pflegebedürftige Bewohnerinnen und Bewohner haben daher ein Anrecht auf Bewegung im Freien und den aus diesen Spaziergängen resultierenden Sozialkontakten.

Möbel und Einrichtungsgegenstände: Institutionelle Zwänge verhindern oft, dass auf Pflegestationen keine eigenen Möbel und persönliche Einrichtungsgegenstände mitgebracht werden dürfen. Räumliche Enge ist kein akzeptabler Grund, der das Stellen eigener Möbel im Pflegezimmer verbietet. Gerade pflegeabhängige ältere Menschen bedürfen einer gewohnten Wohnumgebung.

Zwist und Streitigkeiten: Innerhalb des privaten Wohnraumes ebenso wie innerhalb des privaten Lebensvollzuges der Familienmitglieder gibt es Streit und Meinungsverschiedenheiten. Auch im Alters- und Pflegeheim gibt es kein Recht auf Harmonie. Zwischenmenschliche Konflikte sind an der Tagesordnung und widerspiegeln ebenso Normalität, wie innige Freundschaften zwischen Bewohnerinnen/Bewohnern.

Sexualität und Erotik: Auch alte Menschen leben Sexualität und Erotik. Genauso wie es prüde und verklemmte Menschen gibt, gibt es auch offene und enthemmt wirkende Menschen, die Sexualität beim Namen nennen. Alters- und Pflegeheime dürfen Sexualität und Erotik nicht zu Tabuthemen erklären.

Essenszeiten und Essensauswahl: Bisherige individuelle Essenszeiten der Bewohnerinnen und Bewohner müssen auch im Alters- und Pflegeheim berücksichtigt werden. Hunger stellt sich nicht auf Kommando ein. Die Bewohnerinnen und Bewohner müssen genauso unter mehreren Menüs auswählen und gewisse Nahrungsmittel (z.B. Kohlarten) ablehnen können. Ebenso muss den noch selbständigen Bewohnerinnen und Bewohnern die Möglichkeit gegeben werden, im eigenen Zimmer zu essen oder im Zimmer eine eigene Mahlzeit zuzubereiten.

Zimmerreinigung: Zimmerreinigungspläne sind abzulehnen, wenn ein Zwang zur exakten Durchführung besteht. Alte Menschen sollten das Recht haben, das Reinigungspersonal zu einem anderen Zeitpunkt zu bestellen, wenn ihnen eine Reinigung zurzeit nicht genehm ist.

Pflege: Pflegezwang ist inhuman. Wenn ältere Menschen bewusst auf das Wochenbad verzichten wollen, so sei das dem Pflegepersonal Befehl. Die Einnahme von ärztlich verordneten Medikamenten oder die Durchführung von physiotherapeutischen Maßnahmen darf nicht gegen den Willen der betroffenen Bewohnerin/des betroffenen Bewohners durchgesetzt werden. Hier ist Beziehungs- und Motivationsarbeit zu leisten, ohne dass Machtverhältnisse proklamiert werden. Pflegeroutine ist durch individuelle Pflege zu ersetzen.

Information: Wir erachten es als Selbstverständlichkeit, dass dem Informationsfluss zwischen Bewohnerinnen/Bewohnern und Mitarbeitenden größte Beachtung geschenkt wird. Dies betrifft nicht nur das gerade aktuelle Tagesgeschehen mit all seinen Facetten (Termine, Anlässe, Telefonate, Ärztebesuche, Menü u.a. mehr), sondern auch mittel- und längerfristige Perspektiven wie Jahresprogramm, strukturelle Veränderungen, gesellschaftspolitische Auswirkungen, etc. Im Sinne des Pflegeleitbildes werden sämtliche Pflege- und Betreuungsbelange im gegenseitigen Austausch und Einvernehmen miteinander (Bewohner-Arzt-Pflege) besprochen.

Mitwirken: Das „Miteinander besprechen – entscheiden“ ist bereits ein Akt praktizierter Mitwirkung seitens der Bewohnerin/des Bewohners. Wo immer möglich ist die Bewohnerin/der Bewohner Kraft seiner Willensfreiheit aktive/r Teilnehmer/in am Gestaltungsgeschehen; ob als Hilfe in der Küche, bei Festanlässen, in der Umgebungspflege und natürlich in sämtlichen persönlichen Bereichen seines „Daheims“.

Mitbestimmung: Die Selbstbestimmung der Bewohnerin/des Bewohners ist die zentrale Ausgangslage für die Betreuung und Pflege. Wir respektieren die Willensfreiheit des Einzelnen und sind überzeugt, dass insbesondere die Unabhängigkeit (physisch, psychisch und ökonomisch) zur Erhaltung und Steigerung der Lebensqualität beiträgt. Diverse Instrumente dienen der Unterstützung dieser Bemühungen – so finden wir Tages aktuelle Informationstafeln, regelmäßige Austauschmomente bis hin zu Informationsabenden, Mitteilungsblätter und nicht zuletzt ungezählte persönliche Gespräche unter diesem Gesichtspunkt statt.